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Chronische Erschöpfung / Nebennierenschwäche

Sept. 19, 2019

#Inforeihe Erschöpfung

Um zu verstehen wie es zu chronischer Erschöpfung kommt und was man unter Burn Out, Nebennierenschwäche und dem chronischen/adrenalen Fatigue Syndrom verstehen kann, müssen wir uns zunächst das Thema Stress anschauen. 

Was genau passiert im Körper wenn wir Stress haben, was ist überhaupt unter Stress zu verstehen und was führt alles zu Stress? 

Stressreaktionen versetzen den Körper in eine erhöhte Alarmbereitschaft. Der Sympathikus fährt hoch, das Herz schlägt schneller, der Atem ist beschleunigt, Muskeln spannen sich an und die Pupillen weiten sich. 
Vorgänge die in dem Moment eher unwichtig für das Überleben sind fahren runter, wie z.B. die Verdauung, detailreiches Arbeiten und Vorgänge in den Geschlechtsorganen. 
Biochemisch gesehen werden Hormone und Neurotransmitter wie Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin vermehrt freigesetzt. Dies erhöht den Blutdruck, den Blutzucker und die Sauerstoffversorgung von Muskeln und Gehirn. 


Was kann alles zu Stress führen? 
Während unsere Vorfahren eher in Ausnahmezuständen in Stress gerieten, z.B. wenn sie vorm Säbelzahntiger geflohen sind oder durch Hunger oder Kälte das Überleben fürchten mussten, haben wir heute eine Vielzahl an „Stressoren“ (Faktoren die Stress auslösen), denen wir alltäglich ausgesetzt sind. 
Die meisten denken an die Arbeit, wenn sie an Stress denken. Ja, natürlich kann die Arbeit gegebenenfalls ein großer Stressfaktor sein. Der Druck vom Arbeitgeber, der Druck Kunden und sich selber zu genügen, die Angst man könne gekündigt werden oder Aufträge bleiben aus, so das man um seine Existenz fürchten muss. 
Tatsächlich ist die Arbeit aber nur einer von vielen Faktoren. 

Hinzu kommt die Familie. So lieb wir den Partner und Kinder auch haben, können auch diese Stress auslösen. Konflikte, emotionale Belastungen, „auf Trapp haltende“ Kleinkinder, der Druck eine gute Mutter / ein guter Vater zu sein, die latente Angst es könne den Liebsten etwas passieren... das alles verursacht Stress, auch wenn wir ihn oft gar nicht als solches wahrnehmen. 

Ein weiterer Faktor ist der „Freizeitstress“. Hobbys, Freunde treffen, Termine wahrnehmen, Urlaube (wo man möglichst viel in kurzer Zeit schaffen möchte inkl. Zeitumstellung …)
und auch Sport. Während des Sports wird unser Körper aktiv und reagiert, wie in einer Stresssituation, mit dem Ausschütten von Adrenalin etc. 

Auch Reizüberflutung ist Stress für den Körper. Besonders Menschen die in einer Großstadt wohnen haben damit zu tun. Überall Menschen, Verkehr, Reklame, Geräusche.. hier ein Krankenwagen, da der Marktschreier usw. 
Der Körper nimmt nichts wahr ohne darauf in irgendeiner Form zu reagieren. So auch wenn wir Medien konsumieren. 
Nachrichten aus Radio, Zeitung und TV lösen auch die Freisetzung von Hormonen aus. Unser Körper unterscheidet erst mal nicht ob man da direkt betroffen ist oder nur davon liest. Genauso ist es bei Filmen. Emotional aufwühlende Filme und Horrorfilme sind purer Stress für den Körper. Das merkt man ja ganz direkt beim Schauen, dass das gesehene nicht spurlos an einem vorbeigeht. So bekommt man Gänsehaut, Herzklopfen, manchmal muss man weinen, lachen oder hat Angst. 

Sicherlich spielen bei vielen Menschen auch die sozialen Medien eine große Rolle wenn es um Stress geht. In kürzester Zeit liest man unglaublich viele Infos, News und Geschichten von Bekannten sowie Fremden. Zudem spielt bei einigen auch das Thema Selbstdarstellung rein. Wie präsentiere ich mich und was denken die anderen über mich?

Wo wir beim Thema Selbstwertgefühl wären. Auch der Druck dem Schönheitsideal entsprechen zu wollen, kann zu Stress führen. Besonders wenn dies noch mit hungern bzw. Diäten verbunden ist. Diäten (und damit meine ich keine angemessene Ernährungsumstellung) sind ein riesen Stressor. Hunger bedeutet für den Körper Lebensgefahr und so wird wieder vermehrt Cortisol ausgeschüttet (was nebenbei erwähnt kontraproduktiv für das Abnehmen ist).

Ein anderer „Stressverursacher“ sind Entzündungen. Wenn wir irgendwo im Körper eine Entzündung haben, ist auch hier der Körper in Alarmbereitschaft. Und wieder wird Cortisol ausgeschüttet- denn dieses wirkt Anti-Entzündlich und schmerzlindernd. Manchmal kommt es zu „stillen Entzündungen“ die gänzlich unbemerkt verlaufen, aber latent über Wochen, Monate oder sogar Jahre einen Stressfaktor darstellen.

Weitere Beispiele für Stressoren sind Angst, Traumata, Trauer und auch Geburten
Ihr seht wie vielfältig Stressfaktoren sein können und das sie aus unserem Leben nicht komplett zu verbannen sind. Das wollen wir auch gar nicht. Akute Stressreaktionen sind auch gar nicht das große Problem. Wenn man durch einen Fallschirmsprung, eine anstrengende Sporteinheit oder einen Horrofilm mal eine kurzfristige Stressreaktion hat, ist das kein Thema so lange sie schnell wieder vorbei geht und der Körper runter fahren darf. Das wirkliche Problem ist der latente Dauerstress. Während in akuten Situationen vor allem das Adrenalin und Noradrenalin eine Rolle spielen, ist es bei chronischen Stress eher das Cortisol. 

Die Nebennieren sitzen wie „Hütchen“ auf unseren Nieren drauf. Von der Funktion her haben sie aber recht wenig mit den Nieren zu tun, stattdessen stellen sie wichtige Hormondrüsen dar.
Im Nebennierenmark werden Adrenalin und Noradrenalin gebildet, in der Nebennierenrinde Aldosteron, Androgene und das Cortisol. Für das Thema dieser Inforeihe ist vor allem das Cortisol wichtig.
 
Im letzten Abschnitt habe ich euch aufgezeigt, was alles in unserem Körper Stress auslösen kann und damit die Cortisol Produktion anregt. Wenn es zu chronischen Stress (im Übermaß) kommt, wird also ständig Cortisol ausgeschüttet und die Nebenniere wird sozusagen „Überstimuliert“, bis sie schließlich erschöpft ist. Die Nebennierenschwäche kann man in vier Stadien einteilen. 
1. Kompensationsphase
2. Schwächephase
3. Erschöpfungsphase
4. Insuffizienz

In der ersten Phase ist die Nebenniere zwar schon geschwächt, überkompensiert allerdings den anhaltenden Stress meist mit einer vermehrten Cortisol-ausschüttung. Das heißt, dass der Cortisol-Wert im Labortest auch oft erhöht ist. Zu viel Cortisol bedeutet aber keineswegs das man sich fit fühlt und nervlich gut belastbar ist, sondern das Gegenteil. Erhöhtes Cortisol kann genauso Probleme machen wie zu wenig. Und so kommt es oft auch schon in diesem Stadium zu Erschöpfungssymptomen, Müdigkeit, depressiven Verstimmungen, Schlafstörungen, schlechter nervlicher Belastbarkeit und typisch ist auch völlige Erschöpfung während oder nach dem Sport, sowie innere Unruhe. 

Da unsere Hormone alle eng miteinander verknüpft arbeiten, können jetzt auch schon andere Organe bzw. Hormonsysteme in Mitleidenschaft gezogen werden. 
Besonders betroffen sind die Sexualhormone, denn diese teilen sich mit dem Cortisol ein Vorläuferhormon. Um den hohen Stresslevel gerecht zu werden, „will“ die Nebenniere möglichst viel Cortisol produzieren und baut die ganzen Vorläuferhormone ins Cortisol um. Nur leider bleibt dann nichts mehr übrig für die Sexualhormone. So sind Libidoverlust, Zyklusstörungen, ausbleibender Eisprung und unerfüllter Kinderwunsch mögliche Folgen. 

In der zweiten Phase ist das Cortisol meist zu niedrig, kann aber auch im Tagesverlauf noch manchmal im Normbereich sein. Die Symptome können so ähnlich aussehen wie in der ersten Phase, hinzu kommen können noch: Infektanfälligkeit, Gewichtsprobleme, Konzentrationsschwierigkeiten, Haarausfall und Unterzuckerungssymptome.

In der dritten Phase ist das Cortisol dauerhaft zu niedrig. Die Symptome aus Phase 1 und 2 sind jetzt deutlich stärker. Der Patient kommt kaum mehr aus dem Bett und schafft es meist weder zu arbeiten noch den Alltag irgendwie zu meistern. Oft fallen hier die Diagnosen Depression oder Burn Out, da die Nebennierenschwäche diesen sehr ähnelt bzw. auch mit ihnen Hand in Hand gehen kann.

In der äußerst seltenen vierten Phase spricht man von einer Nebenniereninsuffizienz (NNI) bzw. einem kompletten Funktionsverlust. Diese Phase kann man allerdings nicht wirklich als Folge von den anderen drei Phasen sehen, denn sie entsteht entweder als primäre NNI (Morbus Addison, Krankheit mit verschieden Ursachen wie z.B. Autoimmunprozesse) oder sekundär als Nebenwirkung von einer Therapie mit hochdosierten Cortison. Die NNI ist potentiell lebensgefährlich. 

Die Begriffe „Chronisches Fatigue Syndrom“ und „Adrenales Fatigue Syndrom“ beschreiben ebenfalls die Zustände von chronischer Erschöpfung. Der Begriff „Adrenales Fatigue Syndrom“ bedeutet „Nebennieren-Erschöpfungs-Syndrom“ und ist als Synonym für die Nebennierenschwäche zu sehen. Das „Chronische Fatigue Syndrom“ wird für chronische Erschöpfungszustände allgemein gebraucht, auch wenn diese erst mal nicht mit der Nebenniere in Verbindung stehen. 
Das "Burn-Out Syndrom" wiederum beschreibt auch eine chronische Erschöpfung, die aber vorrangig auf Stress am Arbeitsplatz zurück zu führen ist. Oft gehen Nebennierenschwäche und Burn-Out allerdings Hand-In-Hand bzw. bedingen sich gegenseitig.

Was tun bei einer Nebennierenschwäche?
Das wirksamste ist gleichzeitig das offensichtlichste: Eure eigenen Stressoren erkennen und reduzieren. Ich weiß, leichter gesagt als getan. Aber wenn ihr mit kleinen Dingen anfangt wie z.B. aufhört die schlechten Nachrichten in der Zeitung zu lesen oder keine Angst machenden Filme mehr schaut, ist das schon mal ein erster Schritt. 
Wenn ihr Familie habt und die Kinder einen Stressfaktor darstellen, kann (und möchte) man diesen natürlich nicht ausradieren. Aber seid euch bewusst: Ihr könnt nur für Andere sorgen, wenn ihr für euch selbst sorgt. Seid ihr gestresst und erschöpft, seid ihr auch angespannter im Umgang mit dem Partner, Kindern, Eltern usw. Versucht euch Freiräume zu schaffen. 

Weitere Dinge die ihr im Lebensstil beachten könnt: 
Meidet Fast-Food im wahrsten Sinne des Wortes also „schnelles Essen“. Dieses mal eben zwischen Tür und Angel ein Brötchen „reinstopfen“, am besten noch mit einem Kaffee To Go ist purer Stress für den Körper. 
Koffein generell regt die Cortisol-Ausschüttung an, dadurch macht es wach. 
Daher sollte bei einer Erschöpfung / Nebennierenschwäche Koffein unbedingt reduziert bzw. gemieden werden, denn auch wenn er kurzfristig evtl. noch eine „pushende“ Wirkung hat, ist die Erschöpfung danach umso größer. Koffeinfreier Kaffee kann auch sehr genussvoll sein. 

Meidet außerdem Nahrungsmittel die Entzündungen verursachen können, wo ihr merkt ihr vertragt sie nicht oder wo eine allergene Wirkung bekannt ist, wie z.B. Gluten- oder Laktosehaltige Speisen. 

Zudem solltet ihr mit sportlichen Aktivitäten sparsam sein. Wahrscheinlich werden diese euch sowieso sehr schwer fallen. Gönnt eurem Körper lieber leichte körperliche Betätigung, in Form von Spaziergängen oder leichten Yoga.

Diese Tipps können schon eine Linderung der Beschwerden bewirken. In manchen Fällen von chronischer Erschöpfung ist es aber durchaus notwendig genauer hin zu schauen und individuell zu therapieren.

In meiner Praxis ist die Behandlung von Erschöpfung / Burn Out / Nebennierenschwäche ein Schwerpunkt. Mit Hilfe einer ganzheitlichen Anamnese und ggf. einem Cortisol-Tagesprofil (Labordiagnostik) erstelle ich einen auf euch zugeschnittenen Therapieplan, mit dem Ziel aus der Erschöpfung wieder in eure Kraft zu finden!


von Mandy Geppert 18 Feb., 2020
* In Kooperation mit Sina Hellinger - Naturheilpraxis Hellinger
von Mandy Geppert 18 Feb., 2020
Der Mensch und die Natur sind zyklische Wesen. So verläuft jeder Tag im Morgen-, Mittag-, Abend- und Nachtzyklus. Jede Mondphase mit zunehmenden Mond, Vollmond, abnehmenden Mond und Neumond. Jedes Jahr mit Frühling, Sommer, Herbst und Winter. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ 🌷‌Die erste Zyklushälfte bezeichnen wir als Frühling. Hier ist es oft so, dass wir neue Projekte beginnen wollen, voller Motivation sind und gern neue Kontakte knüpfen. Der erhöhte Östrogen Spiegel bewirkt den Aufbau unserer Gebärmutterschleimhaut und auch psychisch befinden wir uns in einer Wachstumsphase. ⠀ ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ ☀️Während der fruchtbaren Zeit, also um den Eisprung rum, ist der Sommer. Oft fühlen wir uns dann besonders wohl in unserem Korper, flirten gerne und haben vermehrt Lust auf Sex. Spaß und Sport stehen jetzt ganz hoch im Kurs. ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ 🍁Die zweite Zyklushälfte vergleichen wir mit dem Herbst. Wir fahren runter, schlafen mehr, mögen es kuschelig, sind kreativer und besonders emphatisch. ⠀⠀ ⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀ ❄️Die Zeit der Menstruation ist der Winter. Hier möchten sich die meisten Frauen zurück ziehen. Wie regenerieren und reinigen uns. Hier sollten wir auf unsere Intuition hören und auch Mal zulassen, dass uns gerade nicht nach vielen Kontakten oder Partys ist. ____________________________________ 🌱Findest du dich darin wieder?
von Mandy Geppert 18 Feb., 2020
1# bisher mehr als 200 verschiedene Inhaltsstoffe nachgewiesen 2# besteht zu 99% aus Wasser 3# soll antientzündlich, antibakteriell, antiviral, feuchtigkeitsspendend und wundheilend wirken 4# die wildlebende Pflanze kann monatelang ohne Regen auskommen 5# das Gel kann äußerlich und innerlich eingesetzt werden, als Tinktur, Salbe, Tee (innerliche Anwendung bitte nur in medizinischer Begleitung) Du kannst die Aloe Vera Pflanze ganz einfach zuhause im Topf züchten. Bei Bedarf schneidest du einen Teil (am besten ein ganzes Blatt) der Pflanze ab und nutzt das Gel im Inneren des Blattes. Tipp: den Rest des Blattes kannst du ein paar Tage im Kühlschrank aufbewahren. Schon mal ausprobiert? :)
von Mandy Geppert 18 Feb., 2020
Ernährung, Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Elternsein... in vielen Dingen streben wir nach dem „Perfekten“. Die Ernährung sollte biologisch, saisonal, regional, Fairtrade, vegetarisch/vegan, gesund, vollwertig, gluten- & laktosefrei und nicht in Plastik verpackt sein. Ja, ein erstrebenswertes Ziel, aber umsetzbar? Es gibt sicherlich einige Menschen die es schaffen diese Sachen umzusetzen, aber das erfordert Zeit, Energie, Motivation und Disziplin. Meiner Meinung nach führen auch kleine Schritte zum Erfolg und damit sollte man beginnen. Nicht von heute auf morgen alles versuchen umzustellen, um dann doch zu scheitern, sondern nach und nach schauen was jetzt gerade möglich ist! Wie oft habe ich schon Sätze gehört wie: „Naja Person X lebt zwar vegetarisch aber fliegt ständig mit dem Flugzeug in den Urlaub“ oder „Person Y nimmt ja das E-Bike zur Arbeit, der Nachhaltigkeit wegen, benutzt aber Kaffeekapseln“. Ja, „perfekt“ ist das nicht, aber ich finde jeden einzelnen Schritt toll, den jemand macht- für seine Gesundheit, für die Umwelt, für den Tierschutz oder sonstigen Zielen dieser Art. Muss man sich als Eltern schlecht fühlen wenn man Wegwerfwindeln statt Stoffwindeln benutzt? Wenn man Gläschen gibt anstatt jeden Tag selber zu kochen? Ist es verwerflich Bio-Tomaten in Plastik verpackt zu kaufen? Den perfekten Menschen gibt es nicht. Wir sollten uns gegenseitig unterstützen und inspirieren anstatt radikal zu denken. Fühlt euch gut für das was ihr schafft und nicht schuldig für Dinge die ihr noch nicht erreicht habt. Mein Tipp: Denkt jeden Sonntag Abend drüber nach was ihr in dieser Woche ändern könnt. Das kann eine Kleinigkeit sein, wie z.B. eine Holzzahnbürste zu kaufen, Jutebeutel mit zum einkaufen zu nehmen oder im Bio- / Unverpacktladen einzukaufen. Am nächsten Sonntag reflektiert ihr wie umsetzbar das war und ob ihr das so weiter machen wollt / könnt. Und formuliert ein nächstes Ziel. Manchmal stehen aber auch andere Sachen im Leben an und es passt gerade nicht, dann ist das auch ok.
von Mandy Geppert 18 Feb., 2020
-Südafrika 2012- Endlich angekommen. Ob ich überhaupt fliegen kann, stand bis kurz vor Abreise nicht fest, hatte ich mir nämlich kurz zuvor einen fiesen Infekt im asiatischen Ausland geholt und durfte ein paar Tage in Quarantäne verbringen. Glücklicherweise doch kein Malaria, Hepatitis oder ähnliches. Aufregend und nervenaufreibend. Am Flughafen werde ich von einem Mitarbeiter der Universität, an der ich Supervision bekommen werde und in dessen Studentenwohnheim ich wohnen werde, abgeholt. Die Uni ist eine Partnerstätte meiner holländischen Uni. Da ich einige Zeit später anreise als alle anderen wurden die Arbeitsplätze bereits vergeben und ich hatte keine Entscheidungsfreiheit mehr. Ich hatte aber Glück, denn ich wurde genau da eingeteilt wo ich hin wollte. Halbtags in eine der größten Psychiatrien Südafrikas und zudem in einer Kindertagesstätte im Township. Vor allem die Psychiatrie interessiert mich brennend, denn dies war auch im Studium immer mein Schwerpunkt. Zwei weitere Studenten arbeiteten in den gleichen Einrichtungen wie ich. In der Psychiatrie durften wir uns aussuchen welche Stationen uns besonders interessierten und wo wir gern eingeteilt werden würden. Schnell wurde deutlich das wir eher als „fertige“ Kunsttherapeuten gesehen wurden und wir sehr selbstständig arbeiten würden. In einer deutschen Psychiatrie nicht denkbar, dass Studenten im dritten (vorletzten) Studienjahr einfach „auf die Patienten losgelassen werden.“ Auf der einen Seite fand ich das schade, hätte ich mir doch gerne Methoden von erfahrenen Therapeuten abgeschaut, auf der anderen Seite eine tolle Herausforderung von der ich sicher viel lernen konnte. Die Abteilungen, in denen wir arbeiten würden, waren: Allgemeine Psychiatrie Forensik Drogenentzugsprogramm In der Abteilung „Allgemeine Psychiatrie“ waren Patienten mit Erkrankungen mit psychiatrischen Diagnosen wie z.B. Borderline, Schizophrenie, Psychose, Depression, Essstörungen... In der Abteilung „Forensik“ waren Patienten, die eine Straftat begangen haben und auch eine psychiatrische Diagnose haben. Statt Gefängnis also Psychiatrie. Die Straftaten waren in den allermeisten Fällen Mord und Vergewaltigung, manchmal auch Mehrfachmord. Selten ging es um illegale Geldgeschäfte o.ä. Die „SATU“- Substance Abuse Treatment Unit- war ein vierwöchiges Drogenentzugs-Programm. Viele Menschen die alles in Ihrem Leben aufgrund von Drogenmissbrauch verloren hatten – oder auch nie etwas hatten. Der lange Drogenkonsum stand den meisten ins Gesicht geschrieben, eingefallene Gesichter, zernarbte Körper, junge Menschen sehen aus wie mind. 30 Jahre älter. Viele litten unter Vergewaltigungen in der Vergangenheit oder dem Verlust eines Familienmitglieds durch Mord. So hatte ich das Gefühl, auf der einen Seite mit den Tätern und auf der anderen Seite mit den Opfern zu arbeiten. Aber so einfach zu unterteilen ist das natürlich nicht. Die erste Therapiestunde in der Forensik steht an. Ich frage mich wie ich mich dabei wohl fühlen würde, war ich ja zuvor noch nie (zumindest bewusst) einem Mörder oder Vergewaltiger begegnet. Es war eine Gruppentherapie mit, ich glaube, vier Patienten. Zunächst alle recht zurückhaltend. Sie sprachen gebrochenes Englisch, ich war aber überrascht wie gut. So saß ich dann also vor einer Gruppe Schwerstkrimineller. Es fühlte sich aber nicht so an. Ich sah wie immer den Patienten, den Menschen hinter der Erkrankung, hinter der „Tat“. Und die Arbeit machte Spaß. Ich habe schnell bemerkt, dass viele Methoden die wir in Holland / Deutschland anwendeten hier nicht zu gebrauchen waren. Abstraktes Denken und die kognitive Fähigkeit eine Aufgabe zu verstehen und dann umzusetzen war bei einigen extrem eingeschränkt. Es lag nicht an der Sprache, sondern wahrscheinlich an mangelnder Bildung aber auch viel an der Krankheit, lebten einige Patienten in ihrer ganz eigenen Welt. Zu dem kam oft, dass die Patienten in der Forensik und Allgemeinen Psychiatrie einen Haufen Medikamente bekamen, so dass sie oft wie betäubt waren, manchmal nicht auf Fragen antworten konnten und leer in den Raum starrten. Trotzdem fanden die Patienten in der Kunst ein Mittel zum Ausdruck. Die Fortschritte waren klein, aber vorhanden. Ich freute mich auf die Therapiestunden, es wurde gelacht, getanzt, gegrübelt und geweint. Es kamen immer wieder neue Patienten dazu, andere mussten die Therapie aus irgendwelchen Gründen abbrechen. Nach einigen Wochen, nachdem bekannt wurde, dass eine Ergotherapeutin beinahe von einem Patienten vergewaltigt wurde, kam bei uns die Erkenntnis auf, dass wir vielleicht einen Security während der Therapie im Raum haben sollten. Als wir danach fragten wurden wir verwundert angeschaut: „Wie? Ihr seid ohne Security während der Therapiestunden?“ In Deutschland undenkbar, dass so eine Sicherheitslücke passiert, schätze ich. Ab da war also immer jemand mit im Raum. Angst etwas könnte passieren hatte ich aber, meine ich zumindest rückblickend, nie. Auch wenn durchaus mal Patienten halluzinierten, sich stritten, oder mit stolz verkündeten ihre Mutter getötet zu haben. Trotzdem waren die Patienten irgendwo und auf irgendeine Weise liebenswert. Als ich mich nach einem knappen Jahr Arbeit von Ihnen verabschiedete musste ich weinen. In der SATU hatten wir nur vier Wochen Zeit um den Patienten wieder auf die Beine zu helfen. Eine sehr kurze Zeit und die Therapiestunden waren dementsprechend auch strukturierter als in der Forensik. Themen waren Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft, Selbstwertgefühl, der Umgang mit Emotionen und Abschied nehmen. „Was möchte ich ändern und warum? Wie vermeide ich Trigger? Was tut mir gut und was nicht?“. Ziele wurden ausgearbeitet und formuliert. Die Kunsttherapie integrierte sich recht schnell als neuer, erfolgreicher Teil des Programms. Die Psychiatrische Anstalt war generell ziemlich anders, als ich es aus Deutschland kannte. Während ich in meinem Studium lernte, dass die Würde des Patienten oberste Priorität hat, er sich als Mensch wahrgenommen fühlen muss und man ihm mit Empathie gegenübertreten soll, stand der Stempel „Patient“ den Patienten in der südafrikanischen Psychiatrie fett auf die Stirn geschrieben. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, denn jeder Patient bekam Patientenkleidung (im Prinzip ein Schlafanzug, den sie den ganzen Tag anhatten) bei dem auf jedem Kleidungsstück „Patient of …...psychiatric hospital“ stand. Auch eine Mütze, mit Aufdruck direkt über der Stirn. Die forensischen Abteilungen der Klinik erinnerten mich (tut mir Leid für den Ausdruck) an einen Zoo. Das erste was man sah, war eine riesige Glaswand, hinter der ein grauer Innenhof war. Kaum grün, keine Stühle, Bänke, Tische..., keine Beschäftigungsmöglichkeiten. Dies war der Hauptaufenthaltsort der Patienten. Therapiestunden gab es wenig und so war es tatsächlich so, dass die meisten Patienten einfach den gesamten Tag auf diesem Hof verbrachten. Würdevoll war das irgendwie nicht. Die „Zimmer“ glichen eher Gefängniszellen aus alten Filmen. Ja, ich weiß, die Patienten waren ja auch kriminell, aber es unterschied sich einfach so viel von dem was ich gelernt habe. Die Reflexionsrunden mit den Patienten liefen auch ganz anders ab. So saßen fast alle Krankenschwestern, Ärzte und Therapeuten in einem großen Halbkreis im Raum. Davor stand ein leerer Stuhl auf den sich dann ein Patient setzte, wie auf dem Präsentierteller und dann wurde über Krankenakte, Entwicklungen, Fehltritte usw. diskutiert. Klar, die meisten Patienten waren sehr eingeschüchtert von der Situation. Alles in allem musste ich viele meiner ethischen Grundlagen ablegen und mich anpassen. In meinen Therapiestunden und im kleinen Rahmen versuchte ich natürlich weitgehend das umzusetzen was ich, zumindest in meinem Beruf als Therapeutin, für richtig halte: jeden Menschen mit Würde und Respekt zu begegnen und ihn als Mensch wahrzunehmen. Rückblickend war die Zeit dort unheimlich lehrreich. Ich habe einige, hier selbstverständliche, Dinge zu schätzen gelernt und fand meine Position zwischen Distanz und Empathie, scheinbaren Tätern und Opfern, geplanten und nicht-planbaren und irgendwie auch zwischen Europa und Südafrika.
von Mandy Geppert 18 Feb., 2020
* In Kooperation mit Sina Hellinger - Naturheilpraxis Hellinger
von Mandy Geppert 18 Feb., 2020
*In Kooperation mit Sina Hellinger - Naturheilpraxis Hellinger
von Mandy Geppert 18 Feb., 2020
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von Mandy Geppert 18 Feb., 2020
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von Mandy Geppert 18 Feb., 2020
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